Hier beginnt der Hauptinhalt dieser Seite

Mehr Getreidevielfalt auf dem Acker und Teller

Viele Getreide-Landsorten wurden in der Vergangenheit durch moderne Zuchtsorten verdrängt. So schwindet die Biodiversität auf dem Acker und die Getreidevielfalt in der Backstube. Das will das BÖL-Projekt "ReBIOscover" ändern.

Winter- und Sommerweizen-Feld von oben
Foto: Michael Großhauser LfL

Viele alte Getreidesorten liefern ähnlich hohe Erträge wie die modernen Zuchtsorten. In Backversuchen punkteten die Backwaren aus alten Dinkel- und Weizensorten mit einem guten Volumen. Die Backqualität der getesteten Sorten schwankte sogar weniger stark als bei modernen Zuchtsorten. Das sind die Zwischenergebnisse des 2020 gestarteten Forschungsprojektes "ReBIOscover – Wiederentdeckung alter Getreide-Landsorten zur nachhaltigen Herstellung von Bio-Lebensmittelspezialitäten". Das auf 3,5 Jahre angesetzte Verbundvorhaben wird über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert und durch das Institut für Angewandte Biowissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordiniert.

Das interdisziplinäre Forscherteam will die einstige Getreidevielfalt wieder auf den Acker und den Teller bringen und so zu einer Renaissance alter, regionaler Kornarten beitragen. Insgesamt nehmen die Forschenden hierfür 30 Sorten in den Blick – viele davon aus der Zeit vor 1950 stammend, darunter alte Weizen-, Gersten- und Roggen-Landsorten, Dinkel, Einkorn und Emmer. Getestet wurde an einem Standort in Bayern, an dem zusätzlich acht Kontrollsorten angebaut wurden.

Vergleichbar gute Erträge

In den 2020/2021 und im Folgejahr durchgeführten Anbauversuchen haben sich etliche Sorten als relativ standfest erwiesen, obwohl Landsorten normalerweise aufgrund ihres hohen Wuchses eher zum Lager neigen als moderne Zuchtsorten. So zeigte sich eine geringe Lagerneigung bei den Weizensorten Niederbayerischer Braun, Ackermanns Bayernkönig und Schwäbischer Dickkopf Landweizen sowie bei der Sommerweizensorte Freisinger Landweizen.

Auch mit Blick auf ihre Erträge können viele der getesteten Getreidesorten mit modernen Zuchtsorten mithalten. Mit rund 40 Dezitonnen pro Hektar lieferte der Champagnerroggen die höchsten Erträge. Als ertragsstark erwiesen sich ebenfalls die beiden Winterweizensorten Unterfränkischer Land und Wetterauer Fuchs, die Dinkelsorte Müllers Gaiberger und die Sommerweizensorte Eglfinger Hohenstaufen.

Backvolumen aussagekräftiger als Laborwerte

Bei der Analyse der Backqualität der getesteten Sorten im Backlabor der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft haben die Forschenden Schwankungen festgestellt. Je nach Anbausaison und -standort variierten die Werte der gängigen Parameter Rohprotein- und Feuchtklebergehalt, Wasseraufnahme sowie Sedimentationswert. Sie erwiesen sich als weniger aussagekräftig als die entsprechenden Daten moderner Sorten. Dabei fiel auf: Die Proteinwerte der Landsorten sind oft höher als die der Vergleichssorten. Selbst im trockenen Sommer 2022 übertraf bei vielen alten Sorten der Proteingehalt die Werte der modernen Sorten. Aus den erhobenen Parametern zur Bewertung der Backqualität (Fallzahl, Glutenindex, Sedimentationskoeffizient etc.) kann man bei den alten Sorten nicht immer direkt auf die Backqualität schließen. Hierfür eignet sich deutlich besser das Volumen des Gebäcks. Dies ergaben die standardisierten Kleinbackversuche mit den alten Getreidesorten. Neben dem Volumen der fertigen Brote wurde dabei von allen Sorten – bis auf die Gersten- und Roggenmehle – die Teigausbeute, Teigelastizität und Teigoberfläche bestimmt. Aus den Backversuchen der ersten beiden Versuchsjahre schließen die Forschenden, dass die Backqualität der alten Sorten etwas weniger stark schwankt und weniger stark von Umweltfaktoren beeinflusst wird als bei modernen Zuchtsorten. Für Anfragen von Bäckerinnen und Bäckern hat sich das Volumen der Brote als wichtigste Bezugsgröße erwiesen.

Verträglichkeit der alten Sorten

Außerdem soll das Projekt "ReBIOscover" Aufschluss darüber geben, ob traditionell hergestellte Backwaren aus alten Landsorten besser verträglich und bekömmlicher sind. Erste Ergebnisse zeigen, dass die alten Sorten bei den verträglichkeitsrelevanten Inhaltsstoffen vergleichbare Werte aufweisen wie die modernen Vergleichssorten. Die oft beschriebene bessere Verträglichkeit von Backwaren aus alten Getreidesorten könnte daher rühren, dass diese eine handwerkliche Verarbeitung verlangen. Dazu gehört eine längere Teigruhe, welche das fertige Gebäck bekömmlicher macht. Allerdings sind hier noch weitere Untersuchungen nötig. Aber schon jetzt ist klar: in den traditionellen Sorten schlummert eine große Vielfalt, welche es wert ist, erhalten zu werden.

Neben dem Institut für Angewandte Biowissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligen sich an dem Projekt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Ruhstorf an der Rott, das Kompetenzzentrum für Ernährung Freising (KErn) sowie die Technische Universität München (TUM).

Weitere Informationen zum Projekt ReBIOscover.