Ist der Weg zum Idealgewicht tatsächlich so einfach? Schließlich sind verschreibungspflichtige Abnehmspritzen wie Wegovy® oder Mounjaro® seit 2023 als Mittel zur Behandlung von Übergewicht auch in Deutschland zugelassen und erhältlich. Der Effekt ist beachtlich, die möglichen Nebenwirkungen aber auch. Ein Überblick.
Kurz gesagt
- Der bislang am häufigsten eingesetzte Wirkstoff, Semaglutid, kann zu einem Gewichtsverlust von über 20 Prozent führen.
- Der Wirkstoff Tirzepatid erwies sich in Studien in puncto Gewichtsverlust als noch wirksamer als Semaglutid.
- Für einen dauerhaften Abnehmerfolg reicht eine Abnehmspritze alleine allerdings nicht aus.
- Beide Mittel können erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen.
- Stand März 2025 erstatten die Krankenkassen die hohen Kosten für die Abnehmspritzen nur bei einer Diabetes-Erkrankung.
Inhalt
Abnehmspritzen sind in aller Munde und so begehrt, dass es auch in Deutschland immer wieder zu Lieferengpässen kommt (AOK 2024) und gefährliche Fälschungen auftauchen (EMA 2023a, BASG 2023, BfArM 2024). Diabetes-Erkrankte, für welche die Medikamente ursprünglich entwickelt wurden, haben deshalb immer wieder Probleme, Fertigpens mit den Wirkstoffen Semaglutid (Wegovy® oder Ozempic®), Tirzepatid (Mounjarou® KwikPen®) oder Liraglutid (Saxenda®) zu bekommen. Liraglutid ist zudem in Tablettenform (unter dem Namen Rybelsus) erhältlich, allerdings nur auf Rezept zur Behandlung von Diabetes Typ 2.
Von der Diabetes-Behandlung zur Abnehmspritze
Die Wirkstoffe Liraglutid, Semaglutid sowie Tirzepatid wurden ursprünglich nur zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen. Seit April 2016 sind Liraglutid als Saxenda®, seit Juli 2023 Semaglutid als Wegovy® und seit Dezember 2023 Tirzepatid als Mounjaro® auch in Deutschland zur Behandlung bei schwerem Übergewicht zugelassen und können verschrieben werden. Die Kosten werden von den Krankenkassen bislang nicht übernommen, da sie als sogenannte Lifestyle-Arzneitmittel eingeordnet werden.
Alle Wirkstoffe sind in Deutschland und Europa nur auf Rezept erhältlich. Voraussetzung für eine Verschreibung ist ein Body-Mass-Index (BMI) über 30, bei Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, erhöhten Blutfettwerten oder Typ-2-Diabetes ein BMI von über 27.
Ursprünglich nur als Medikamente zur Blutzuckersenkung zugelassen, wurde der sogenannte „Off-Label“-Gebrauch zur Gewichtsreduktion von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA für das Produkt Wegovy® im Januar 2022 zugelassen (EMA 2023b), für Liraglutid® bereits 2016 (Pi-Sunyer et al. 2015) und für Mounjaro® am 11.12.2023 (AkdÄ 2024). Voraussetzung ist, dass die Patienten zuvor konservative Therapieversuche sowie Ernährungsberatung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie unternommen haben. Zusätzlich müssen auch Vorerkrankungen der Schilddrüse sowie der Bauchspeicheldrüse ausgeschlossen werden (Europäische Kommission 2023).
Wer bekommt keine Abnehmspritze verschrieben?
- Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) unter 30 (Ausnahme: Personen mit einem BMI über 27 und gewichtsassoziierten Erkrankungen)
- Schwangere und Stillende
- Kinder unter 12 Jahren
- Menschen mit einer Allergie gegen Bestandteile des Mittels
- Personen mit Typ-1-Diabetes, stark eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion, schwerer Herzinsuffizienz sowie Retinopathie (diabetesbedingte Netzhautschädigung)
So wirken die Abnehmspritzen
Die am häufigsten eingesetzten Wirkstoffe sind derzeit Semaglutid und Tirzepatid, die sich in ihrer Wirkungsweise ähneln: Beide ahmen das Darmhormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) nach. Tirzepatid aktiviert zudem den Rezeptor für das Glukoseabhängige Insulinotrope Peptid (GIP).
Dies regt die Insulinproduktion an, was hilft, den Blutzuckerspiegel zu senken. Außerdem wird die Glucagonausschüttung gehemmt und über die zentrale Appetitregulation ein verstärktes Sättigungsgefühl signalisiert (Korsatko et al. 2018). Zudem sorgen die Darmhormone dafür, dass der Magen langsamer geleert wird. Durch dieses Zusammenspiel und eine dadurch entstehende geringere Zufuhr an Kalorien kann es zu einer Gewichtsabnahme kommen (Hinnen 2017 Blundell et al. 2017).

Das Darmhormon GLP-1 bindet an den gleichnamigen Rezeptor auf der Oberfläche von Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Dadurch wird die Insulinabgabe ins Blut aktiviert und somit der Blutzuckerspiegel gesenkt.

Vorteile der Abnehmspritzen: Studienergebnisse
Wie hoch die Gewichtsabnahme ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren, vor allem aber vom Grad des Übergewichts bzw. der Fettleibigkeit (Adipositas) ab.
Semaglutid: Gewichtsverlust von 14,9 Prozent im Mittel
Unter Semaglutid plus Lebensstilintervention verloren adipöse Nichtdiabetiker rund 14,9 Prozent Gewicht (BMI: –5,5 kg/m2), während die Placebogruppe mit alleiniger Lebensstilintervention nur rund 2,4 Prozent schaffte (BMI: –0,9 kg/m2). Ein Drittel (32 %) der Probanden der Semaglutid-Gruppe erzielte sogar einen Gewichtsverlust von über 20 Prozent, im Vergleich zu lediglich 1,7 Prozent in der Placebogruppe. Verglichen mit Liraglutid schneidet Semaglutid damit deutlich besser ab: –12,4 % vs. –5,4 % Gewichtsverlust, jeweils im Vergleich zum Placebo (Hollstein 2021).
Der subkutan injizierte GLP-1-Agonist verbesserte darüber hinaus weitere Parameter wie Blutdruck, Nüchternblutzucker, Lipidwerte und auch insgesamt die Lebensqualität (Tak/Lee 2021, Wadden et al. 2021). Die positiven gesundheitlichen Auswirkungen zeigte auch eine vom Hersteller, dem dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk, finanzierte Studie: Das Risiko schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (wie Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall) bei Erwachsenen mit Übergewicht oder Adipositas war nach einer Anwendungsdauer von 33 Monaten um 20 Prozent reduziert, auch wenn diese nicht an Diabetes erkrankt sind (SELECT-Studie: Novo Nordisk 2023).
Tirzepatid: noch wirksamer als Semaglutid?
In einer Studie erreichten die Teilnehmenden in den ersten 36 Wochen unter Tirzepatid eine Gewichtsreduktion von bis zu 20,9 Prozent. Das entspricht den Auswirkungen bariatrischer Operationen, bei denen dauerhaft Teile des Magens entfernt oder die Resorptionsstrecke im Dünndarm verkürzt werden (Aronne et al. 2024). Nach dem Absetzen des Medikaments nahmen die Patienten in den folgenden 52 Wochen 14 Prozent zu, während die Fortsetzung der Tirzepatid-Behandlung zu einer weiteren Gewichtsreduktion um 5,5 Prozent führte (Aronne et al. 2024).
Eine im Juli 2024 veröffentlichte Studie verglich Tirzepatid und Semaglutid hinsichtlich der Wirksamkeit sowie der Nebenwirkungen bei der Behandlung von Adipositas (Rodriguez et al. 2024). Das Autoren-Team kommt zu dem Schluss, dass Tirzepatid zu einem signifikant größeren Gewichtsverlust führt als Semaglutid. So nahmen 81,8 % mindestens 5 % ab, 66,5 % mind. 10 % und 42,3 % der Teilnehmenden sogar mehr als 15 %. Zum Vergleich: bei Semaglutid erreichten jeweils 66,5 %, 37,1 % und 18,1 % denselben Gewichtsverlust. In dieser Studie wurde allerdings kein Schwerpunkt auf die Auswirkung auf kardiovaskuläre Ereignisse gelegt.
Hohe Kosten und Nebenwirkungen
Von den Krankenkassen werden die Kosten von bis zu 4.000 Euro pro Jahr für die Abnehmspritze bis jetzt nicht erstattet (Krankenkassen Deutschland 2025, DAG 2023). So ist die sehr teure und auch lange Therapie nicht für alle Menschen finanzierbar. Jene die es sich leisten können, erwartet nachweislich eine Schlankwirkung von 5 bis 15 Prozent des Körpergewichts durch Liraglutid (Pi-Sunyer et al. 2015) und bis zu 20 Prozent durch Semaglutid (Wilding et al. 2021) und Tirzepatid (Jastreboff et al. 2024, Rodriguez et al. 2024).
Aber auch zahlreiche Nebenwirkungen sind zu befürchten: Verstopfung, Völlegefühl, Übelkeit, Aufstoßen, Blähungen oder Magen-Darm-Beschwerden können mit der Abnehmspritze einhergehen. Selbst wenn diese Beschwerden mit der Zeit nachlassen, ist rund die Hälfte der Patienten davon betroffen (Raccah 2017, Gelbe Liste 2023, Rodriguez et al. 2024).
In seltenen Fällen kann es zu Gallenerkrankungen, einer akuten Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse), einer Störung der Magenentleerung (Gastroparese) und möglicherweise einem Darmverschluss kommen. Darauf deutet eine Analyse der Datenbank IQVIA (Sodhi et al. 2023) hin. Dies erklärt, weshalb eine ärztliche Begleitung der Anwendung zwingend empfohlen wird.
Zusätzlich ist das Krebsrisiko der Wirkstoffe noch nicht wissenschaftlich untersucht und geklärt. So wurden im Tiermodell GLP-1-Agonisten mit dem Auftreten von Schilddrüsen- und Pankreaskarzinomen assoziiert, auch wenn es im Menschen dafür bislang keine Belege gibt (Liu et al. 2019). Die Befürchtung, Semaglutid hätte schwere Auswirkungen auf die Psyche, konnte eine US-Studie jedoch widerlegen. Die Ergebnisse deuten sogar darauf hin, dass Semaglutid Suizidgedanken bei Typ-2-Diabetes oder Adipositas verdrängen kann (Wang et al. 2024).
Lebenslange Therapie mit Abnehmspritzen notwendig
Um den erreichten Abnehmerfolg dauerhaft zu halten, ist eine jahrelange, eventuell sogar lebenslange Therapie mit einem der GLP-1-Agonisten notwendig. Denn das Körpergewicht steigt nach dem Ende der Behandlung wieder an. Dies verdeutlichte eine Studie des Washington Center for Weight Management and Research (Rubino et al. 2021):
Insgesamt 902 Patienten verloren in den ersten 20 Wochen der Behandlung mit Semaglutid über 10 Prozent ihres Körpergewichts. In den darauffolgenden 48 Wochen erhielt nur die Hälfte der Patienten Semaglutid als wöchentliche Injektion, in der anderen Hälfte war diese wirkstofffrei. Die Patienten, die weiter Semaglutid erhielten, verloren von Woche 20 bis Woche 68 noch weitere 7,9 Prozent an Gewicht. In der Placebogruppe kam es hingegen zu einer Gewichtszunahme von 6,9 Prozent.
Die Wissenschaftler prognostizierten den Teilnehmern, dass diese ohne Abnehmspritze innerhalb von drei Jahren ihr Ausgangsgewicht wieder erreichen würden. Dies sei aber auch bei klassischen Diätprogrammen der Fall, so die Aussage. Eine langfristige Umstellung des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten ist unbedingt nötig, um dauerhaft schlank zu bleiben.
Ein Blick in dieZukunft
Wissenschaftlich betrachtet gibt es noch mehr Potenzial bei der Forschung an sogenannten Dreifach-Agonisten wie Retatrutid, das alle drei Darmhormone (GLP-1, Glukagon und GIP) kombiniert. Sie wirken auf verschiedene Organe und beeinflussen den Stoffwechsel auf unterschiedliche Arten. So verlieren die Patienten mehr Gewicht, und auch die Nebenwirkungen lassen sich durch diese neue Wirkstoff-Kombination eventuell reduzieren, was wiederum eine höhere Dosierung ermöglichen würde (Eckert 2023).
Es ist allerdings fraglich, ob Patienten tatsächlich freiwillig ihr Leben lang einmal pro Woche eine Spritze setzen möchten, um schlank zu bleiben. Wer dazu nicht bereit ist, kann auf ein orales Semaglutid des Pharmakonzerns Novo Nordisk hoffen, das bislang nur für Personen mit Typ-2-Diabetes zugelassen ist.
Text: Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn)
Mehr zur Abnehmspritze
Nachweise
AkdÄ – Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (2024): Tirzepatid (Mounjaro®) – Markteinführung
AkdÄ – Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (2023): Semaglutid (Wegovy®) – neue Indikation
AOK (2024): Abnehmspritzen: Ein Trend mit Folgen. Pressebericht vom 14.10.2024
Aronne et al. (2024): Continued Treatment With Tirzepatide for Maintenance of Weight Reduction in Adults With ObesityThe SURMOUNT-4 Randomized Clinical Trial. JAMA 331(1):38–48
BASG – Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen BASG (2023): Warnung vor gefälschtem Ozempic® – Update 31.10.2023
BfArM – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2024): Fälschung des Arzneimittels Ozempic®: aktuelle Entwicklungen.
Blundell et al. (2017): Effects of once‐weekly semaglutide on appetite, energy intake, control of eating, food preference and body weight in subjects with obesity. Diabetes Obes Metab 19(9):1242–51
DAG – Deutsche Adipositas-Gesellschaft e. V. (2023): Adipositas-Medikamente: Antworten auf häufige Fragen
Eckert N (2023): Adipositastherapie: Erstmals ein wirksames Abnehmmedikament. Dtsch Arztebl 120(33–34):A-1374/B-1184
EMA – European Medicines Agency (2023a): EMA alerts EU patients and healthcare professionals to reports of falsified Ozempic pens
EMA – European Medicines Agency (2023b): Wegovy – semaglutide. Summary of opinion
EMA – European Medicines Agency (2023c): Mounjaro
Europäische Kommission (2023): Wegovy: Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels
Europäische Kommission (2015): Saxenda: Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels
Gelbe Liste (2024): Tirzepatid
Hinnen D (2017): Glucagon-Like Peptide 1 Receptor Agonists for Type 2 Diabetes. Diabetes Spectr 30(3):202–10
Hollstein T (2021): Semaglutid: Der Preis für das Abnehmen. Dtsch Arztebl 118(12):A-622/B-524
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Titelbild: aniloracru/panthermedia.net
Grafiken: Sonja Heller, www.designbrandung.de
Stand: März 2025